Vom Entlein zum schwarzen Schwan ….

Kann die Arbeit mit einem Pferd dieses schöner machen? Und ob! Diesmal möchte ich von unserer Hillary berichten – ein Positivbeispiel, das zeigt, wie viel mit Geduld, Spucke und vor allem dem fachlichen Know how meines Mannes möglich ist.

Hillary Okt. 2013

Hillary im Oktober 2013

Hillary kam im Herbst 2013 gut vierjährig zu uns. Auf dem Foto der Originalzustand am Tag der Ankunft: Null Muskulatur irgendwo, viel Bauch, großer Kopf mit großen Ohren an einem sehr langen Hals mit Axthieb, daran anschließend ein ewig langer Rücken mit knochiger Beckenkonstruktion. Dazu talgig- fettiges Fell, Mauke an allen vier Füßen – eine echte „Heugeige“ oder auch der „Exterieur-Alptraum“. Dazu ein selbstbewusst- stoisches Interieur, welches sich in sich ruhend selbst genügte und unsere Anwesenheit eher gleichgültig zur Kenntnis nahm. Kurz gesagt ein Pferd, das vor allem eine Mutter lieben kann und uns etwas sprach- und teilweise auch mutlos machte. Nun war sie aber da – also ran an den Speck, Mauke bekämpft, Futter mit allem was die Dr. Weyrauch-Palette hergibt rein in das mäkelige Pferd, das bis heute Hafer verweigert, Heu nach überall verteilt, Brot oder ganze Äpfel niemals fressen würde und bei warm aufgeweichten Heucobs auf ein aromatisiertes Müsli-„Topping“ besteht – das ist kein Witz… Dann das Reiten, welches allerdings erst losgehen konnte, nachdem der Cobra-Maßsattel für diesen eher speziellen Rücken da war. Vielen, vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Helmut Alt für die (wie immer) fantastische Arbeit! Stundenlang hat Jörg gegrübelt, sich immer wieder neu belesen und Strategien entwickelt, diese mit wirklich wenig natürlicher Balance ausgestattete Stute geradezurichten, in eine Anlehnung zu bringen, eine Kautätigkeit zu bekommen (Wir haben tatsächlich ein hochpreisiges „Spezialgebiß“ gekauft – das liegt jetzt im Keller…) und den Rücken schrittweise tragfähig zu machen, ohne das Pferd zu brechen oder zu verbiegen. Immer aktiv von hinten an die passiv stehende Hand heran, geduldig Runde um Runde wartend und das Pferd so wenig wie möglich störend. Langsam, ganz langsam ließ sich nach vielen Wochen ein Reitpferd erkennen. Dann bin ich mal in den Sattel gestiegen – unter Jörg sah das alles schon so nett, weich und fließend aus. Aber was soll ein Pferd mit Balanceproblemen mit einem unausbalancierten Reiter anfangen? Nun, „Hilli“ hat mich Demut gelehrt, wenn sie schwankend wie ein Dromedar bemüht war, mich nicht zu verlieren. Sie hat mich stoisch ertragen und mir dabei mit Gleichmut und wirklich ehrlicher Konsequenz gezeigt, wann ihr Zuwenig Treiben, wann ihr Zuviel Hand, wann ihr Zuwenig Anlehnung, wann ein schiefer und/oder klemmender Sitz etc. pp. das Gehen unter dem Reiter schwer machte. Und sie hat auch unglaublichen Spaß gemacht, wenn mal alles passte und sie mich mit viel Gummi im Trab oder Galopp mitnahm….

Im Herbst 2014 dann der Rückschlag mit einem ganz mächtigen Einschuss hinten rechts mit tiefer Thrombose und einem riesigen, durch die Haut ausschwitzendem Lymphödem von der Fessel bis über das Knie. In den folgenden langen Wochen ertrug sie die Lymphdrainagen, Beinwickel, langweiligen Schritt-Spaziergänge an der Hand gelassen und mit dieser Körpersprache, die vermittelte: Hey Leute, keine Panik. Nehmt die Situation an und habt Geduld – das kommt schon wieder in Ordnung. Und so war es auch – bis auf zwei knubbelig vernarbte Hautvenen ist nichts zurückgeblieben, so dass Jörg die Ausbildung wieder aufnehmen konnte. Im Frühjahr haben wir sie dann zum Kauf angeboten und hofften das „Perfect match“ für sie zu finden –  sie sollte für jemanden die Nr.1 sein. Interessenten kamen und beim Probereiten hat unser Mädchen natürlich alle leben lassen – die schwächeren Reiter sind scheibchenweise verhungert, die Hart-händigen wurden mit einer entsprechend unzufriedenen und unsteten Anlehnung geprellt. Und wer meinte, direkt nach dem Aufsteigen das Pferd einmal „Durchstellen“ zu müssen, wurde mit dem großartigsten Trampeltierpass, den die Sonne je gesehen hat, belohnt. „Hilli“ hat sich also definitiv ein Mitspracherecht ausgebeten und sich dann sehr eindrucksvoll für S. entschieden. S. hatte sich schon in das Foto verliebt und war in großer Erwartung und Vorfreude angereist. Sie war die erste Interessentin, die dem Pferd gefallen wollte. Ich weis, es klingt kitschig, aber wir sind davon überzeugt, dass reell ausgebildete Pferde einen ganz ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben und den Menschen eins zu eins spiegeln. Während ich das hier schreibe, bekomme ich wieder eine Gänsehaut, wenn ich an S.´s erstes Probereiten denke. Hillary im entspannten, lupenreinen Viertakt losschreitend, die Ohren bei der Reiterin, während der gesamten Zeit in leichter und steter Anlehnung, motiviert bis in die Hufspitzen. Gelassenes Stillstehen vor dem Absteigen, den Kopf dann zufrieden auf S.´s Schulter mit einem tiefenentspannten Gesichtsausdruck. Sogar das Fenchel-Leckerlie wurde genommen – ein Ritterschlag 😉

Hillary May 2015

Hillary im Mai 2015

Als am nächsten Morgen eine lackschwarz glänzende, wunderbar bemuskelte, selbstbewusste und liebevolle Stute in den Hänger stieg, habe ich natürlich unprofessionell geheult und fühlte mich ein bisschen wie die Kinder, die von Mary Poppins Abschied nehmen müssen, nachdem diese ihre Mission erfüllt hat. Also, liebes Mädchen – wir danken Dir für den Wissenszuwachs, den Du in unser Leben gebracht hast und wünschen Euch beiden eine lange, gesunde gemeinsame Zeit mit viel Freude auf beiden Seiten. Natürlich bleiben wir in Kontakt; der erste Kurs bei Jörg in Rheinland-Pfalz ist in Kürze geplant und wir freuen uns schon auf das Wiedersehen!!

Liebe Grüße von Katrin Bös

P.S.: Meinem Mann auch nochmal ein dickes Dankeschön für die Hartnäckigkeit und die Geduld und die Liebe zum Detail, die das eine oder andere graue Haar (bei ihm) mehr bewirkten und uns regelmäßig mit Steinbrecht, Bürger, Seunig und Co. als Bettlektüre einschlafen lassen. Ich bin stolz auf Dich!

Comments

  1. Sandra Kraus meint

    Liebe Katrin, lieber Jörg!
    Danke für ein so tolles, super ausgebildetes Traumpferd. Danke für euer Vertrauen!
    Es war tatsächlich Liebe auf den ersten Blick, und auf den zweiten erst recht ☺!
    Zuerst „nur“ein Foto und dann ein wahrgewordener Traum.
    Danke für ein mit Sorgfalt, Bedacht und Können ausgebildetes Pferd, das Vertrauen zu seinem Reiter und Menschen gewinnen konnte. Das merke ich jeden Tag wenn ich glücklich aus dem Sattel steige.
    „Der Reiter formt das Pferd“! Oh ja, das ist auf den Fotos ja deutlich zu sehen.
    Ich habe bisher noch keinen Ausbilder getroffen, der es wie du versteht, den Pferden das Leben mit /trotz Reiter so angenehm und gesunderhaltend wie möglich zu machen. Ich konnte bei deinen Kursen schon so viele Pferde sehen, die sich innerhalb einer Unterrichtsstunde bei dir vom zügellahmen, unzufriedenen Schenkelgänger in ein losgelassenes, im Takt gehendes Reitpferd mit tätigem Maul und zufriedenem Gesichtsausdruck verwandelten.
    Alles was ich von dir hab lernen dürfen hat mein Leben als Reiter und als Mensch um ein vielfaches harmonischer gemacht und die Pferde zufriedener mit meinen Reitversuchen
    Jetzt freuen Hilli und ich uns auf den Kurs bei dir im Juli auf dem Leuchtfeuerhof.
    Übrigens: das mit dem Heu macht sie immer noch. Aber sie kann jetzt ganze Äpfel essen
    Gglg S.

Speak Your Mind

*